Die Abenteuer des Kevin Braun

Kapitel 14 – Arthas

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Arthas war ursprünglich sehr misstrauisch gegenüber Gorns Sonderbehandlung. Vor allem den Teil mit der Stepp Aerobic nahm er nur sehr widerwillig an. Es dauerte aber nicht lange, bis er mit vollem Herzen bei Sache war.

Laut Gorn hilft körperliche Ertüchtigung dabei, Aggressionen abzubauen. Hass wird also sozusagen in Bewegungsenergie umgewandelt. Da Arthas scheinbar sehr viel Hass in sich trägt, hat ihm die ganze Bewegung bereits bis zum bersten gestählte Oberschenkel beschert. So zogen die Wochen in die Lande. Ich war den Großteil der Zeit mit Honigklau beschäftigt, um den horrenden Honorarkosten von Gorn bei zu kommen. Oft kam ich spät in der Nacht zurück, und mehr als einmal mit mehreren Kratz- und Bissspuren. Gorn gab auch einen herausragenden Psychiater ab. Während der Sitzungsstunden lag Arthas auf seiner Couch, während Gorn mit verschränkten Beinen auf einem gefütterten Ledersessel saß, seine Pfeife rauchte, und sich auf einem Block Notizen zum gesagten machte. Da Gorn etwas kurzsichtig war, trug er während der Sitzungen eine elegante eckige Lesebrille mit schwarzem Rand. Wenn ich mir so Gorn anschaue, habe ich gelegentlich ein absurdes Bild von Großvater Petz vor meinem geistigen Auge. Über was die beiden sprachen blieb mir verschwiegen, doch es war unverkennbar, dass sich die Gespräche positiv auf Arthas Wohlbefinden auswirkten. Seine Augen hatten den eisigen Schimmer verloren, und an Arthas Haarwurzeln konnte ich erkennen, dass wieder blondes Haar am nachwachsen war.

Eines Tages verkündete Gorn stolz, dass es nun an der Zeit sei, für Arthas abschließende Behandlung. Er musste von den Wasserlords in Azshara geläutert werden. Zum Glück befand sich der Hauptausgang aus der Feste direkt vor Ort. Gorn konnte uns leider nicht begleiten, eben weil gerade die Feuerwasser-Problematik unter den Furbolgs umging. Er wollte durch seine Unachtsamkeit nicht sein gesamtes Volk in Gefahr bringen. So zeichnete er uns vor unserer Abreise mit Buntstiften eine Wegbeschreibung, zusätzlich zu einer schriftlichen Überweisung an die Wasserlords. Leider war es zu dieser Zeit so, dass die Krankenkassa diese Spezialbehandlung nicht bezahlte, insofern der Patient nicht eine entsprechende Überweisung vom Hausarzt vorweisen konnte.

Der Tag der Abreise war gekommen. Wir verabschiedeten uns noch herzlich von unseren Gastgebern und machten uns dann auf dem Weg. Es ging gerade die Morgensonne auf, als wir den ersten Schritt vor die Feste setzten. Der Morgentau glitzerte auf den Blättern der Büsche, das Licht der Morgensonne brechend. Aber auf so eine Feinheit achtete ich nicht, denn bei besagtem Busch handelte es sich um einen Dornenbusch, bei dem ich mich unter lauten Verwünschungen verhedderte, und mir mein bestes Hemd zerriss. Vor der Feste hatte übrigens eindeutig schon lange keiner mehr den Rasen gemäht. Das Unkraut wucherte an bestimmten Stellen so hoch, dass wir gar nichts mehr aussahen. Falric hatte schließlich die blendende Idee, mich auf seine Schultern zu setzen, damit ich dem Rest der Bande den Weg weisen konnte. Wir konnten es uns nicht erlauben, vom Weg abzukommen und uns vielleicht noch zu verlaufen.

Unser Weg führte uns an verfallen Hochelfenruinen vorbei, der verlassenen Stadt Elderath. Das sagt zumindest die meterhohe Leuchtreklametafel, die vor uns emporragte: „ELDERATH, EIN SPEKTAKEL FÜR GROSS UND KLEIN. BESUCHEN SIE UNS NOCH HEUTE UND ERFAHREN SIE, WIE DIE HOCHELFEN DAMALS WIRKLICH GELEBT HABEN.“

Das Bild veränderte sich, und zeigt nun eine Panoramaansicht eines schrillen Vergnügungsparks. Von den angeblichen Ruinen konnte ich so gut wie nichts erkennen, da das Gebiet von Würstelbuden aller Formen und Größen zugepflastert war. In der großen Haupthalle wurde ein Spiegellabyrinth montiert, das in dem Ruf stand, das größte Spiegellabyrinth von ganz Azeroth zu sein. Dieses Monat sind erst zehn Leute darin verhungert, die den Weg nicht mehr nach draußen gefunden haben. Mal sehen… heute haben wir den Dritten…

Als Arthas gespannt auf diese Tafel starrte, grinste er wie ein Neujahrsschweinchen.

Arthas: „Wie geil… da müssen wir unbedingt hin.“

Ich: „Wir können ja später nochmal vorbeischauen, wie du weißt hast du einen Arzttermin.“

Arthas Blick wurde glasig: „Och bitte Kevin, nur ein kleines bisschen.“

Arthas setzte einen herzzerreißenden Dackelblick auf, dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Ich: „Nein, bitte nicht die Schmollmundnummer.“ Ich wendete mich ab. Als ich wieder den Blick zu Arthas umwendete, glubschten mich noch immer zwei große Kulleraugen an. „…na gut. Aber nur kurz…“

So kam es, dass wir den Arzttermin verschieben mussten… auf später. Wir trotteten die Klippen hinunter, während sich Arthas schwer tat, sein Bewegungstempo zu drosseln. Schließlich standen wir vor dem Ticketautomaten. Darüber spannte sich ein steinerner Torbogen, in dem ein Satz eingraviert war: „WILLKOMMEN IN ELDERATH“ Als ich die Ticketpreise erfuhr, wurde mir anders. 50 Gold pro Person! Das sind schon fast Preise wie bei einem Juwelier. Kassier war ein Furbolg mit roter Strickweste. Ein unbestechlicher noch dazu. Nicht mal durch ein Glas Honig konnte man sein Herz erweichen. Ich war gerade in eine energische Diskussion mit dem Kartenverkäufer über die extremen Kartenpreise verwickelt, die ich definitiv nicht zahlen werde, als sich hinter uns jemand in unser Gespräch einmischte.

Stimme: „Die Karten gehen auf mich.“

Ich drehte mich um. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Arthas der Atem stockte. In der Sonne brach sich das Licht an einer gut gebauten Silhouette, langen Beinen, schlanken Oberkörper und einem netten Vorbau. In der leichten Brise wehten lange, blonde Haare, die verspielt ihr Gesicht kitzelten. Die Person trug Hotpants aus Jeansstoff, sowie ein Tank-Top im Bundesheer Stil – natürlich bauchfrei. In der Hand hielt sie einen etwa zwei Meter langen verzierten Stab, der sie eindeutig als Benützer der arkanen Künste, kurz, als Magierin auszeichnete.

Was für ein Bild von einer Frau, würde der Anblick nicht durch eine Sache getrübt werden: Einem Arsch, der der gesamten Silhouette eher die Form einer Birne gab.

Arthas: „J…J…Jaina? Was machst du den hier.“

Jaina: „Das selbe wie du Arthas.“ Sie zwirbelte verspielt eine ihrer Locken. „Um Spaß zu haben.“ Ihre Zunge glitt langsam über ein Erdbeereis mit Schlagsahne, obenauf mit einer Piemontkirsche. Sie zwinkerte Arthas schelmisch zu, während sie langsam auf ihn zu tänzelte. Die Luft knisterte regelrecht vor Spannung als sie nur wenige Zentimeter voneinander entfernt standen und den gegenüber betrachteten. Keiner Sprach ein Wort. Die Luft zwischen ihnen hatte eine unvergleichliche Hitze entwickelt. Ein Schweißtropfen floss gerade von Arthas Stirn, als dieser mit bebender Stimme das Wort ergriff.

Arthas: „Das Eis sieht verdammt lecker aus. Er nahm es ihr aus der Hand und schleckte mit seiner breiten Zunge darüber. „Wo hast du das her?“

Jaina wechselte bei diesen Worten von der glühenden Rüstung in die Frostrüstung. Ihre Stimme klang gleich um einiges kühler.

Jaina knurrte: „Na von dem Eisstand da hinten, woher denn sonst?“

Arthas: „Cool danke.“ Bei diesen Worten drehte er sich um und verschwand in der Eisdiele, nur um ein paar Minuten später mit einem Cup Dänemark in der Hand wieder aufzutauchen. „Mhhhh. Mjam, mjam. Das Eis ist wirklich sehr lecker.“ Arthas knusperte gerade an einer Eiswaffel. Wir schauten nur schweigend zu, während Arthas genüsslich das Eis verdrückte. Er zutzelte gerade an einem seiner schokoladenverschmierten Finger, als er sich wieder zu Wort meldete.

Arthas: „So meine Liebe. Wie versprochen, lasst uns jetzt ein wenig Spaß haben.“ Er blickte uns an. „Kevin, Falric, Marvyn? Lässt ihr uns bitte für eine Weile alleine?“

Jainas Augen leuchteten auf. Wir drehten uns um und verschwanden schweigend. Ich kam aber nicht umhin, mit einem Ohr dem Gespräch zwischen Arthas und Jaina zu lauschen.“

Jaina mit hoffnungsvoller Stimme: „Und was hast du jetzt in getrauter Zweisamkeit mit mir vor?“

Arthas: „Na in den Vergnügungspark gehen. Ich möchte unbedingt mal die Achterbahn ausprobieren. Und währenddessen erzähle mir die neuesten Neuigkeiten.“

Ich hörte einen Schnalzer, als hätte Arthas eine schallende Ohrfeige von Jaina bekommen.

Arthas: „Für was war das gerade?“

Jaina: „Mir war gerade danach…“

In der späten Abendstunde kam Arthas zurück, in sicherem Abstand von Jaina folgend. Seine Augen wurden durch eine riesige dunkle Pilotenbrille verdeckt. Wir verbrachten den Tag auf einer Ansammlung von Steinen und starrten Löcher in die Luft, oder zählten Grashalme, oder spielten „ich seh‘ ich seh‘ was du nicht siehst“.

Arthas: „Ich hoff‘ ihr habt euch genauso gut amüsiert wie wir. Wir sind Achterbahn gefahren, dann Karussell, und zum krönenden Abschluss hab ich Jaina an einem Schießstand einen Teddybären geschossen. Er deutete auf den flauschigen Teddy in Jainas Hand. Doch sie schien ihn nur lustlos hinter sich her zu ziehen.

Jaina war dem ganzen Gespräch nur schweigend gefolgt.

Arthas: „Immerhin hab ich was interessantes herausgefunden. Wie Jaina mir erzählt hat, ist sie mit ihrem Gefolge auf dem Weg nach Hyjal, um sich dort mit Orks und den Nachtelfen zusammenzutun, um den Baum des Lebens zu beschützen, da scheinbar die Dämonen planen die Macht des Baumen für sich zu beanspruchen.

Ich habe ihr zugestimmt, sie bei ihrem Kampf zu unterstützen. Kommt ihr mit?

Ich verbiss mir einen sarkastischen Kommentar, wohlwissend dass wir ohnehin keine andere Wahl haben.

Ich: „Wir kommen natürlich mit.“

Innerlich biss ich mir bei diesem Satz auf die Zunge. Oder wärt ihr darauf erpicht, gegen Horden von Dämonen in die Schlacht zu ziehen, jeder einzelne so groß um jemanden einfach unter seinen Hufen zu zermalmen? Ohne Aussicht auf Sieg? Also ich sicher nicht.

So zogen wir gen Norden, immer dem Berg Hyjal entgegen. Nur der Aufstieg erwies sich als etwas schwierig. Bei dieser Kletterpartie wurde ich regelrecht zur Bergziege. Jaina machte es sich um einiges einfacher. Sie teleportierte sich einfach mit ihrem Gefolge auf die Spitze. Meiner Meinung nach hat sie bewusst vergessen, uns eine Teleportmöglichkeit anzubieten. Immerhin, so schien mir, hatte Jaina seit diesem Tag an, einen kleinen persönlichen Groll gegenüber Arthas. Ich weiß nicht, wie lange wir mit der Kletterpartie beschäftigt waren, doch als wir endlich oben ankamen, hatte Jaina und ihre Verbündeten bereits mächtige Verteidigungsanlagen aus dem Boden gestampft. Die Dämonen sammelten sich bereits an der Startlinie, auf den Startschuss wartend. Noch ist Zeit, aber morgen ist es soweit. Dann heißt es: Mögen die Spiele beginnen.

Eines machte mir Sorgen: Arthas hatte sich schon wieder aus seinem Arzttermin rausgeredet. Das ist gar nicht gut… Gorn hatte uns vor der Abreise gewarnt, dass wir dieser Läuterung unbedingt nachkommen müssen. Ansonsten würde Arthas wieder in kürzester Zeit in das alte Verhaltensmuster zurückfallen.

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