Die Abenteuer des Kevin Braun

Kapitel 18 – Die Flucht

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Ich war gestrandet. Ich konnte es noch immer nicht glauben. Unruhig wanderte ich auf dem rotbraunen Untergrund auf und ab. Tiefe Fußspuren hinterließ ich im Sand. Laut Illidan wurde diese „Wüste“ als Höllenfeuerhalbinsel bezeichnet. Weiß der Teufel, woher er das weiß. Mein Begleiter war absurderweise eher guter Laune.

Illidan: „Hier fange ich ein neues Leben an. Fernab aller, die mir auf die Nerven gehen. Fernab vom Einfluss der brennenden Legion. Die Können mich mal!“

Ich: „Du bist ein Diener der Brennenden Legion?“

Illidan: „Äääääh, woher hast du den Blödsinn?“

Ich: „Hast du doch gerade gesagt.“

Illidan: „Äähhhh, nein das hast du dir eingebildet. Auf alle Fälle hab ich jetzt endlich mal wieder Zeit für mich alleine.“

Ich bissig: „Hattest du doch erst vor kurzem. Etwa zehntausend Jahre in einem finsteren Loch…“

Illidan war klug genug nichts darauf zu erwidern. Er machte nur eine wegwischende Handbewegung. Aber die war so heftig, dass ich schon beinahe eine „Luftwatsche“ gespürt hab.

Illidan: „Um auf unseren Vertrag zurückzukommen…“

Ich: „Findest du nicht, dass dies nicht ein bisschen unpassender Augenblick ist?“

Illidan: „Warum?“

Ich: „Weil… weil… weil wir gestrandet sind?“

Illidan: „Na und? Dafür haben wir jetzt alle Zeit der Welt. Außerdem kenne ich mich hier aus. Als ich den Schädel des Gul’dan absorbiert hab, hab ich auch sein Wissen aufgenommen. Das heißt, ich kenne in diesem Sandkasten jeden verfluchten Stein. So weiß ich zum Beispiel, dass es ganz im Norden hier in der Anderswelt eine Region namens Nethersturm gibt. Vollkommen unberührtes Gebiet und frei von dämonischer Energie. Aber das wichtigste: Es gibt dort unterirdische Seen. Wenn wir in diese Seen das Sonnenbrunnenwasser hineinschütten, werden die Seen praktisch wieder zu einem neuen Sonnenbrunnen…aber das brauchen wir den Blutelfen ja nicht auf die Nase zu binden. Wie bereits vertraglich geregelt, habe ich dich zu meinem Stellvertreter ernannt. Hiermit erteile ich dir den Auftrag, dort den Bau von sogenannten Manaschmieden zu überwachen, um das Wasser zu filtern und für die Blutelfen nutzbar zu machen. Das füllen wir dann im Flaschen ab und verkaufen es unter dem Markennamen „Römerquelle Mineralwasser“.

Illidan klatschte erfreut in seine Hände, griff in seine Tasche und zog bündelweise Baupläne der Fabriken heraus.

Ich: „Hast du dir eine Taschenversion der Dolche & Giganta eingenäht?“

Illidan: „Was? Meine Tasche?“ Er lachte. „Nein, mit so einem billigen Fusel geb ich mich nicht zufrieden. Das hier, lieber Kevin, nennt man ein Tragbares Loch. Die ist so groß, da könntest du dir locker darin ein Haus bauen…“

Ein wahnsinniges Kichern ging durch die Luft. Wie das Kichern einer alten Hexe. Erschrocken fuhr Illidan zusammen. Er drehte langsam den Kopf und blickte zur Spitze der Schlucht hinter ihm hinauf, in der wir gerade wanderten. Ein Kopf wurde sichtbar. Oder besser gesagt ein Helm. Dann die ganze Person. Es war eine hochgewachsene Nachtelfin, mit nach unten hin breiter werdenden Rock, was ihr das Aussehen einer Matrjoschka-Puppe gab. In der Hand hielt sie so eine sägeblattartige Waffe, die man auch unter dem Namen Schattensichel kennt.

Illidan: „Oh nein… Maiev.“

Maiev: „Dachtest du wirklich, ich würde dich von dannen ziehen lassen? Dachtest du wirklich, ich würde diese Schmach deiner Flucht auf mir sitzen lassen?“ Sie kicherte. „Auf ihn meine Krieger. Schnappt ihn!“

Die Schlucht auf beiden Seiten füllte sich mit Bogenschützen. Einige sind mit überdimensionalen Fangnetzen ausgestattet. Das erste Netz wurde abgefeuert. Illidan gab mir einen Stoß. „Kevin lauf!“ schrie er mir zu. „Kümmere dich nicht um mich. Finde Kael’thas. Er betritt diese Welt durch ein Portal Archimondes etwas weiter östlich von hier. Lauf zu ihm. Erzähl ihm was du hier gesehen hast. Und dann,“ er lächelte, „kümmerst du dich um die Formalitäten für den Bau der Manaschmieden. Voren’thal kann dir helfen.“

Ich starrte Illidan an, der sich unter dem Netz, welches ihn unbeweglich machte, wand. Dann sprintete ich davon. So schnell wie möglich aus der Schlucht hinaus.

Maiev: „Kümmert euch nicht um den Wicht. Der ist für uns nicht von Belang. Lasst ihn gehen.“

Ich weiß nicht, wie lange ich umherwanderte, bevor ich erschöpft und durstig zusammenbrach. Die Mittagshitze tat ihr übriges. Am Horizont bildete ich mir ein, ein schwarzes Portal zu sehen. Oder war es einfach die Schwärze, die sich um meine Augen legte, und versuchte, mich zu verschlingen? Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nicht, ob ich den Gedanken überhaupt zu Ende gedacht hab. Ich verlor das Bewusstsein.

Zitternd kam ich wieder zu mir. Ich fand mich in einem kleinen runden Zelt wieder, auf einer Bambusmatte gebettet, die ihr möglichstes versuchte, den steinigen Untergrund weicher erscheinen zu lassen. Eingewickelt war ich in einem dicken dunkelroten Bettzeug. Mein Blick klärte sich nur langsam. Noch immer war die Umgebung für mich verschwommen. Ich vernahm eine weibliche Stimme. „Trink“ forderte sie mich auf, bevor sie mir eine bitter schmeckende Flüssigkeit in einer Metallschüssel an die Lippen hielt. Der Geschmack war mir in diesem Augenblick herzlich egal. Hauptsache wieder etwas flüssiges. Jedoch nahm sie mir die Schüssel nach ein paar Schluck wieder weg. „Nicht so hastig“ ermahnte sie mich. „Du bist noch schwach. Zu viel zu trinken würde deinen Körper noch mehr schaden.“

Ich röchelte: „Wer… bist… du?

Blutelfin: „Ich bin Arsella – die Krankenschwester der Falkenwacht.“

Ich: „Fal… ken… wacht?“

Aresella: „Eine kleine Siedlung, gegründet unter Kael’thas Sonnenwanderer.“

Als ich das hörte, setzte ich mich vor Überraschung auf.

Ich: „Kael ist hier? Ich muss sofort zu ihm.“ Doch ich spürte wie meine Kräfte wieder nachließen. Erschöpft fiel ich wieder nach hinten. Aresella hatte alle Hände voll damit zu tun, mich wieder in die ursprüngliche Position zu legen.“

Aresella: „Du musst dich noch etwas schonen. Du bist erst vor kurzem knapp an der Schwelle des Todes vorbeigeschrammt – was du wohl wärst, hätte dich nicht eine Patrouille von uns gefunden.“

Müde nickte ich ihr zu, bevor ich kurz danach wieder in einen tiefen, aber unruhigen Schlaf verfiel. Ich träumte von einer Flucht von einer Meute blutrünstiger Nachtelfen, die mit Jagdgelüsten in ihren Augen mir nacheiferten. Wie die warme Mittagssonne mich immer mehr entkräftete. Wie sie mich einholten, ihre Schwerter hoben, und…

Erschrocken fuhr ich aus meinem Schlaf. Ich brauchte eine Minuten, bevor sich mein Puls wieder beruhigt hatte. Dann nahm ich mir Zeit, mich umzusehen. Ich war bereits wieder um einiges fitter und schon beinahe wieder komplett genesen. Ich war alleine. Das Tuch des Zeltes wurde zurückgeschlagen, und eine Blutelfin mit bauchfreien Leibchen, rotbraunen Haaren, welche mit einem blauen Haarreif zusammengehalten wurden, trat ein. Es war Aresella. In ihrer Hand hielt sie eine Schüssel mit einen Badeschwamm und einigen nicht definierbaren Gerätschaften.

Aresella: „Oh, du bist schon wach?“

Ich: „Ich denke schon.“

Aresella: „Wie fühlst du dich?“

Ich: „Dem Umständen entsprechend. Noch etwas kraftlos, aber sonst okay.“

Wortlos nahm die Elfin ein Schüssel vom Tablett und hielt sie mir an den Mund. Hastig nahm ich ihr die Schüssel aus der Hand und nahm selbst einen Schluck. Es war die selbe bittere Flüssigkeit wie das letzte Mal.

Ich: „Was ist das eigentlich?“

Aresella gleichgültig: „Gesüßter Pferdeurin.“

Wie man sich sicher bildlich vorstellen kann, spuckte ich bei dieser Erkenntnis das Gebräu mir einer riesigen Wasserfontäne aus. Aresella lachte bei dem Anblick.

Aresella: „Keine Sorge. Hierbei handelt es sich lediglich um einen simplen Kamillentee. Dieser senkt das Fieber und führt auf schonende Art und Weise Flüssigkeit zu.

Ich zitterte noch immer. Aresella wurde wieder ernst: „Du hattest starken Schüttelfrost als du geschlafen hast. Wir dachten echt, du stirbst uns weg. Du hast im Fieberwahn geredet. Kael war auch da, um nach dir zu sehen. Als er gehört hatte, dass du im Traum von der Gefangennahme Illidans geredet hast, ist er sofort mit einem Bataillon seiner besten Soldaten aufgebrochen, um ihn zu befreien.

Über diese Offenbarung war ich zugleich erfreut als auch erschrocken. Erfreut darüber, dass meine Botschaft angekommen ist, erschreckt darüber, dass ich mir meinem maroden Zustand nicht bewusst war. Ich hätte genauso gut tot sein können.

Ich: „Danke, dass ihr euch so fürsorglich um mich gekümmert habt. Der Kerl im Himmel alleine weiß, wo ich jetzt ohne euch wäre.“

Aresella errötete vor Bescheidenheit. Sie kicherte: „Aber… das war doch meine Pflicht als Krankenschwester.“

Ich atmete erleichtert durch: „Wenigstens weiß Kael Bescheid. Ist eigentlich Voren’thal hier in der Siedlung?“

Aresella verneinte: „Nein, tut mir leid, der ist bereits kurz vor Kael ausgeflogen. Er hatte von Kael’thas die Order bekommen, Shattrath einen Besuch abzustatten.“

Ich: „Ich dachte er wäre so etwas wie eine Art Architekt?“

Arsella: „Das war er früher. Jetzt ist er einer der großen Feldkommandanten unter der Führung Kael’s.

Ich: „Verdammt. Ich hätte ihn wegen einer dringenden Angelegenheit gebraucht. Ich muss aufbrechen, und ihm hinterher.“

Arselle hielt mich zurück: „In deinem Zustand gehst du nirgends wohin. Jetzt erholst du dich noch zwei Tage, und dann kannst du hingehen wohin du willst. Ich werde bei meiner Zwillingsschwester Innalia ein gutes Wort für dich einlegen, dass sie dir einen Windreiter für den Flug nach Shattrath borgt.

Ich: „Vielen Dank für deine Hilfe… aber ich kann nicht fliegen.“

Arselle lächelte: „Das macht gar nichts. Die Windreiter finden selbst ihren Weg. Das einzige was du tun musst ist dich festzuhalten.“

Mit einer fuchtelnden Geste deutete sie mir, dass ich mich wieder hinlegen soll. Ich schloss meine Augen und fiel wieder in einen tiefen, diesmal ruhigen, Schlaf.

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