Die Abenteuer des Kevin Braun

Kapitel 16 – Der Unfall

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Das war eine lange und aufregende Reise. Ich habe vor allem eins gewonnen: Lebenserfahrung. Auch wenn es ein schöner Ausflug war, freut man sich immer wieder, wenn man nach langer Zeit wieder nach Hause zurückkehrt. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht gerade positiv überrascht war, als ich den Zustand von Brill sah. Mein Dörfchen, in dem ich einst aufgewachsen war, erinnert von Tat zu Tag mehr an eine Geisterstadt. Häuser sind verwittert, Fensterläden beschädigt, ganze Dächer eingestürzt, Türstöcke morsch…

Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich mich über die Rückkehr freuen soll. Schon bald führte mich der Weg dennoch nach Hause, an einem Ort, der später als das „verlassene Anwesen“ eine traurige Berühmtheit erlangen soll.

Von Arthas und Co. Hatte ich mich bereits kurz nach der Ankunft in Lordaeron getrennt. Das Trio hatte persönliche Sorgen. Sie mussten die drei Schreckenslords, die sich in seinem Schloss eingenistet haben, und sich nun als Herrscher über Lordaeron schimpften eine Lektion erteilen. Gar nicht so einfach, denn zuerst musste Arthas eine gerichtlich abgestempelte Geburtsurkunde vorweisen, dass er wirklich Prinz Arthas, der rechtmäßige Thronfolger von König Terenas II. war. Als er das Papier den Schreckenslords vor die Nase hielt, hatten sie es plötzlich sehr eilig, wieder das Weite zu suchen.

Mit ihrer Flucht verebbte auch die Zombiebelagerung unseres Häuschens, und man konnte nach langem wieder Kaffeebohnen anbauen. Wobei letzteres sinnlos geworden ist, nachdem wir jetzt selbst reproduzierende Kaffeebohnen haben. Hänsel hatte inzwischen einen tieferen Keller graben müssen, um den ganzen Segen unterbringen zu können. Da es jedoch vorhersehbar war, dass sich die Kaffeebohnen exponentiell schnell vermehren würden, je mehr es wurden, hatte Hänsel bereits gewisse Maßnahmen getroffen. Liddia hatte während ihrer schon beinahe besessenen Forschung nach neuen Killerpflanzen eine Pflanze gezüchtet, die ein beißend gelbes Sekret absonderte. Dieses flößten sie dem erstbesten Zombie ein, den sie in die Finger bekommen hatten. Nachdem es diesen mal eine Weile durchgeschüttelt hatte, als hinge er an einem Starkstrommasten, kippte dieser um und blieb regungslos liegen. Erst nach einigen Stunden, als man den Zombie endgültig als tot erklären wollte, kam er wieder zu sich. Es stellte sich heraus, dass er, wie Hänsel und Liddia, bei vollem Verstand war. Er stellte sich als Franklin Lloyd vor, und war zu Lebzeiten ein angesehener Ingenieur. Als Dank für seine Rettung half Franklin Hänsel dabei, eine übergroße Kaffeereibe zu bauen, in denen sie Schaufelweise die genmanipulierten Kaffeebohnen hinein schütteten und pulverisierten. In diesem Zustand musste man keine Sorge mehr haben, dass sie unwillkürlich mehr wurden. Franklin war jetzt in den Geräteschuppen am anderen Ende des Feldes eingezogen, und kam regelmäßig auf eine nette Plauderstunde vorbei. Ich dachte inzwischen wirklich daran, einen Club der Untoten aufzumachen. Irgendwie blieb ich das einzig lebende Wesen in Lordaeron.

Ein paar Tage später kam Arthas mit seinem Gefolge nochmals auf einen Kaffee vorbei. Er brachte leider keine gute Nachrichten. Arthas wird regelmäßig von Schwächeanfällen durchgeschüttelt. Deshalb muss er zurück nach Nordend eilen, und dieser Ursache auf den Grund gehen. Diesmal, so meinte er, wäre es suboptimal, wenn ich ihn begleiten würde. Denn es wird wahrscheinlich eine sehr gefährliche Reise werden. Doch eine letzte Gefälligkeit erwies er mir noch vor seiner Abreise. Er gab einen Pfiff mit seinen Fingern von sich, woraufhin sämtliche Zombies, die die Schreckenslords zurückgelassen hatte, angetrottet kamen. Nach etwa zwei Stunden waren sie vollständig. Es war eine ganze Armee. Dan gab er nur noch das Zeichen für den Aufbruch und setzte sich mit seiner neuen Armee in Bewegung. Diesmal war er auf ein anderes Schiff angewiesen, denn sein Flaggschiff, die „Barbapapa“ lag noch immer in Kalimdor in Düstermarschen vor Anker. Später sollte sie zu einem Museumsschiff umkonstruiert werden, auf der man persönliche Besitztümer von Arthas Menethil bewundern konnte. Darunter eine flauschig weiche Bürste für seine Haartracht, sowie ein Taschenspiegel.

So blieb ich mit meinen untoten Kollegen in Brill zurück. Langsam gewöhnte ich mich wieder an das Alltagsleben und den unnatürlichen Verwesungsgestank, den ich Anfangs versucht hatte, mit massenweise Duftbäumchen zu übertünchen.

Eines Tages klopfte es an der Tür. Ich war überrascht, hier in Lordaeron so etwas überhaupt mal wieder zu hören. Mit einer geschliffen scharfen Schaufel in der Hand öffnete ich die Tür, um dem gegenüber im Notfall eine drüberziehen zu können. Beim Anblick des Besuchers stockte mit der Atem.

Ich: „DU???!!!“

Der mir gegenüber schien auch aus allen Wolken zu fallen.

Besucher: „Hey Mann, was machst du denn hier, Mann?“

Ich: „Na wohnen, was denn sonst. Interessanter ist wohl eher die Frage, was machst du hier… Illidan?“

Der Nachtelf-Dämonen Mischling stieg von einem Bein zum anderen.

Illidan: „Naja…Mann… ich war g’rad in der Umgebung. Ehrlich gesagt hab ich dich gesucht. Oder auch nicht… Ich wollte mir den Weg nach Dalaran erklären lassen. Er lächelte schief. Außerdem…möchte ich über den Kauf des Sonnenbrunnenwassers mit dir reden, Mann.“

Es war nicht verwunderlich, dass ich durch diese Offenbarung mehr als paff war.

Ich: „Darf ich fragen, für was du das Zeugs plötzlich brauchst? Damals hast du mich durch einen einfachen Blick auf deinen Luxusbody wissen lassen, dass du auf das Arkangesöff nicht angewiesen bist.“

Illidan: „Die Dinge haben sich geändert…“

Ich betrachtete seinen Überkörper: „Willst du die mit dem Zeugs deinen Bierbauch wegtrinken?“

Illidan bekam bei dieser Aussage einen regelrechten Hals. Er ballte die Fäuste, beruhigte sich aber wieder.

Illidan: „Sehr witzig, Mann! Nein, ich brauche es, um einen manahungrigen Quel’Dorei, die sich jetzt Blutelfen schimpfen, auf meine Seite zu ziehen. Ich brauche ihn, um eine große Katastrophe abwenden zu können. Aber dafür brauch ich das Sonnenbrunnenwasser – und eine Wegbeschreibung nach Dalaran.“

Ich überlegte.

Ich: „Weißt du was? Ich hab mit dem Zeugs derartige Schwierigkeiten gehabt. Das wird teuer.“

Ilidan: „Ich zahle jeden Preis, aber wäre es in Ordnung für dich, wenn du mich nach Dalaran begleitest und wir unterwegs die Konditionen aushandeln? Ich hab es wirklich sehr eilig. Jede Sekunde zählt.“

Ich drehte meinen Kopf zu Hänsel und Liddia um, die hinter mir auf einem Tisch saßen. Sie nickten mir zu.

Ich: „Abgemacht. Aber das Wasser bleibt hier, bis wir einen Vertrag aufgesetzt haben, verstanden?“

Illidan grinste: „Geht klar Mann!“

So kam es, dass ich schon wieder eine Reise unternehme. Wie lange diese jetzt wohl dauern wird? Während der Reise ins Alterracgebirge war ich schließlich in heftigste Verhandlungen mit Illidan verstrickt. Ich war nicht bereit, mein wertvolles Arkanwasser für einen Fingerhut zu verkaufen. Immerhin ist es das Letzte seiner Art.

Illidan: „Du bist ein harter Verhandlungspartner.“ Er grinste. „Aber ich hab‘ nicht damit gerechnet, dass es einfach werden wird.“ Er seufzte. „Das Leben ist nie einfach… ach Tyrande…“ Gedankenverloren blickte er in die Ferne. Wenn er das mit seinem Verband um die Augen überhaupt konnte.

Illidan: „Wusstest du, dass ich nicht wirklich seit meiner Geburt an blind war? Es gab eine Zeit, da konnte ich noch sehen. Aber da war ich noch ein kleiner Sprössling. Wurde ständig von anderen gemoppt. War feige. Bin jedem Problem aus dem Weg gegangen. Mein Vater war Schaukämpfer. Aber das ist lange her… Eines Tages entdeckte ich per Zufall, wie er jetzt für unseren Unterhalt sorgt. Er wurde zu einen brutalen Geldeintreiber, der Leute mit Gewalt dazu brachte, ihre Schulden zu begleichen… Ich floh. Ich rannte und rannte. Ich rannte durch eine Baugrube der Goblins, welche damals dort einen Außenposten am Zoram’gar Strand hatten. Diese hantierten gerade mit einer Art Giftmüll. Durch einen Unfall wurde ich mit diesem Zeugs überschüttet. Es brachte meine Sehnerven praktisch zum explodieren. Seit diesem Tage… ja seit diesem Tage an bin ich blind…

An diesem Tag hatte mein Vater geschworen, wieder einer ehrbaren Aufgabe nachzugehen. Er gab sich die Schuld an dem geschehenen. Er wurde wieder zu einem heldenhaften Schaukämpfer. Und ich? Ich hatte auf wundersame Weise eine Art Radarsinn entwickelt. Bei jedem Geräusch das ich wahrnehme ist es so, als könnte ich wieder sehen… Ich wurde zu einem Rächer der Schwachen. Bestrafte die Bösen. Tja… das war eine tolle Zeit. Aber das ist lange her…“ er schniffte.

Diese Seite von Illidan kannte ich noch gar nicht. Dass er so emotional sein konnte, ließ ihn auf mich sogar sympathisch wirken. Es scheint ihm sehr schwer zu fallen, darüber zu sprechen.

Illidan: „Aber warum erzähle ich das ganze.“ Er lächelte, wischte sich eine einzelne Träne weg. „Kommen wir wieder zu unserem ursprünglichen Thema zurück.“

Ich: „Ach ja… die Verhandlung…“

Illidan: „Ich habe nachgedacht. Ich werde dir das Wasser nicht abkaufen. Ich biete dir etwas besseres. Ich werde dich an allen Gewinnen, die ich damit mache, zu fünfzig Prozent beteiligen. Ich hab Mittel und Wege, von dem Zeugs einen unendlichen Vorrat herzustellen. Außerdem werde ich dich zum Aufseher über sämtlicher Betriebe machen. Nur hilf mir, mit diesem Wasser die Blutelfen auf meine Seite zu ziehen. Die Elfen brauchen das Wasser. Das ganze Elfenvolk braucht das Wasser. Ich kann dir also versichern, dass du deine Entscheidung nicht bereuen wirst.“

Ich: „Abgemacht. Doch noch etwas möchte ich.“

Illidan: „Und das wäre?“

Ich: „Die Erlaubnis, einen Teil des Wassers abzweigen zu dürfen, um damit Kaffee für die Blutelfen herstellen zu können – Ich nenne es Arkanochino.

Illidan: „Wenn das dein einziger Wunsch ist… so sei es.“

Illidan angelte einen vorgefertigten Vertrag aus der Tasche, der sämtliche abgeklärten Konditionen enthält, einschließlich meines Wunsches eines persönlichen Kaffeehauses. Ich las mir den Vertrag genauestens durch. Sogar mehrmals. Er schien keine versteckten Lamas zu enthalten. Illidan meint es scheinbar wirklich ernst. Ich unterschrieb. Genauso schnell wie er mir den Vertrag ausgehändigt hatte, hatte er ihn auch wieder eingesteckt.

Illidan: „Jetzt wo das alles geklärt ist… wie weit ist es denn noch bis Dalaran?“

Ich hob meinen Finger: „Wir sind bereits da.“

Mein Finger glitt über den Horizont, wo sich eine gigantische Stadt abzeichnete. Ich war ehrlich gesagt überrascht, Dalaran so zu sehen. Das letzte Mal als ich hier war, lag die Stadt in Trümmern. Jetzt erstrahlte sie wieder in seiner ganzen Pracht. Illidan strahlte bei dem Anblick. Er umrundete die Stadt mehrmals, bevor er mir zunickte, und mich auf einen nahe gelegenen Bergvorsprung hinaufführte.

Illidan: „Wusstest du, dass diese Stadt in Wirklichkeit größer ist, als es den Anschein hat? Sie wurde von den Kirin Tor verzaubert, damit sie kleiner aussieht. So sieht sie für Plünderer weniger attraktiv aus, weshalb es zu weniger Angriffen und Plünderungen kam.“

Das wusste ich in der Tat nicht. Stumm beobachtete ich, wie Illidan kichernd eine Tafelkreide aus seiner Tasche zog und einen Kreis ums ich herum in den nackten Fels zeichnete.

Illidan: „Dich interessiert bestimmt, was ich hier mache, nicht wahr? Ich möchte dich einweihen. Eine große Gefahr bahnt sich an. In Nordend residiert ein Monster, das unter dem Namen „der Lichkönig“ bekannt ist. Er wurde vor einiger Zeit von dem Dämonenfürsten Kil’jaeden erschaffen. Dort sitzt er auf dem Dach der Welt, genannt Eiskrone, und streckt seine gierigen Finger nach ganz Azeroth aus. All die Untoten, die du gesehen hast, sind sein Werk. Diese Diener sollten wie ein Schwarm Heuschrecken auf die Welt losgelassen werden und alles Lebende ausradieren. Danach wird die brennende Legion zurückkehren und die Welt für sich beanspruchen. Ich darf nicht zulassen, dass es soweit kommt. Deshalb muss ich die arkane Magie, die von Dalaran ausgeht, benutzen, um den Sitz des Lichkönigs zu spalten und ihn somit zu vernichten. Das Ding wird mir dabei helfen, die Sache zu beschleunigen.“

Er zog ein Ding aus der Tasche, das laut Wikipedia <<ein starrer Körper ist, der um eine Achse rotiert, sich ansonsten frei bewegen kann oder auch an einem Achsenende oder beiden mehr oder weniger festgehalten wird.>>

Illidan: „Das hier ist ein Zauberkreisel. Man muss ihn drehen und sich etwas wünschen. Dies wird dann in Erfüllung gehen.“

Er stellte ihn auf den Boden und gab ihn einen Anstoß.

Ich: „Das kann ich schwer glauben. Du willst mir weiß machen, dass dieses Holzstück auf Stiel Wünsche erfüllen kann? Wenn das so ist, dann wünsche ich mir, dass sich Dalaran in die Lüfte erhebt, nach Nordend entschwindet, und dass es keiner Magie möglich sein wird, den Zauber wieder aufzuheben.“

Illidan brüllte auf: „DU NARR. WAS HAST DU GETAN? DU MACHST ALLES ZUNICHTE!“

Illidan stürmte den Bergabhang hinunter mich hinten nachschleifend. Wir kamen nicht weit. Ein Erdbeben erschütterte die ganze Umgebung, die es unmöglich machte auf den Beinen zu bleiben. Die ganze Gegend um Dalaran bebte. Ein markerschütterndes Knacken ging durch den Boden, es entstanden Risse um die Stadt. Plötzlich sah ich es eindeutig. Die Stadt hob sich langsam, aber stetig, in die Lüfte. Sie gewann an Höhe bis sie die luftigen Weiten erreicht hatte und beschleunigte dann Richtung Norden. Wie ein Blitz war sie am Horizont verschwunden. So als würde der Millenium Falcon den Hyperraumantrieb aktivieren. Ich sah während dem Spektakel, wie sich die halbe Bevölkerung am Dalaranrand versammelte und mir synchron mit einem lauten „HMPF“ den Mittelfinger entgegenstreckten, während sie immer weiter gen Himmel entschwanden.

Illidan ließ sich auf die Knie fallen. Er brach in lautes schluchzen aus.

Illidan: „Was hast du getan? Was hast du nur getan? Jetzt muss ich die Beschwörung manuell durchführen. Und das wird dauern. Ich hoffe die Dalaranruinen haben genug arkane Energie gespeichert, dass ich mein Ritual abschließen kann.

Er drehte sich zu mir um und streckte mir seinen Zeigefinger entgegen.

Illidan: „Und du Kevin, suchst dir jetzt einen weit entfernten Ort, wo du keinen Schaden anrichten kannst, und wartest gefälligst dort bis ich fertig bin. Sonst kann ich in der Tat für nichts mehr garantieren.“

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